Es ist Frühling und das schöne Wetter lockt viele Menschen zum Wandern oder Fahrrad fahren in die Natur. Doch es ist ein ganz anderer Mai, ein Mai in Zeiten der Ausbreitung des Corona-Virus.
Die geplante NaturErlebnisWoche 2020 zum Thema „Bewegen und Natur erleben“ der Umweltakademie Baden-Württemberg kann deshalb im diesjährigen Frühjahr nicht wie gewohnt mit zahlreichen Veranstaltungen stattfinden. Ein gemeinsames Naturerlebnis mit Teilnehmern aus der Region ist gegenwärtig nicht denkbar. Dennoch soll das Naturerlebnis für den Einzelnen weiterhin möglich sein.
Die Natur in diesen stillen Zeiten neu zu entdecken, die frische Frühlingsluft zu atmen und ganz nebenbei neues Artenwissen zu erlangen, hilft uns Menschen, gesund, munter und wissbegierig zu bleiben. „Bewegen und Natur erleben“ ist besonders in den Zeiten des Abstandhaltens wichtig. So kann alleine, in angemessenem Abstand zu zweit oder im engen Familienkreis das Erblühen von Maiglöckchen, Hirtentäschelkraut oder dem Wiesenschaumkraut beobachtet, die Flugkünste und Gesänge von Goldammer, Grünfink und Gartenrotschwanz bestaunt oder dem geschäftigen Treiben von Mauerbiene, Ölkäfer und Aurorafalter zugesehen werden.
Hierzu stellen wir Ihnen ab sofort bis Ende Mai Beiträge für Berichte über faszinierende Tier- und Pflanzenarten zur Verfügung. Es sind allesamt Arten, die an Wegesrändern von Wäldern, Feldern oder Wiesen bei Spaziergängen bestaunt werden können. Darüber hinaus werden praktische Tipps vermittelt. Den Auftakt der Entdeckungs-Beiträge machen die für den Mai typischen Arten: Maiglöckchen, Maikäfer und der vielleicht weniger bekannte Maiwurm (Ölkäfer).
Folge 1: Der Maiwurm der ein Käfer ist
Die hübsch anzusehenden, schwarz-bläulich glänzenden Ölkäfer kann man in dieser Jahreszeit besonders häufig über den Weg krabbeln sehen. Die weiblichen Tiere des Ölkäfers machen sich vor allem im Mai auf die Suche nach geeigneten Stellen für die Eiablage. Dabei wirken sie mit ihrem geschwollenen Körper recht plump. Daher nennt man diese Tiere auch Maiwurm. Die Entwicklung vom Ei bis zum „erwachsenen“ Ölkäfer gehört zu den spannendsten und merkwürdigsten Naturphänomenen am Wegesrand.
Schon bald nach der Eiablage schlüpfen aus den Eiern kleine, aber recht flinke Larven. Sie erklettern mit Hilfe ihrer drei Klauen an den Beinchen die am schnellsten erreichbaren Blütenpflanzen. Die Larven sind auf bestimmte Wildbienenarten wie Erdbiene, Mauerbiene und Langhornbiene angewiesen, in deren Nestern ihre weitere Entwicklung erfolgt. Da sie die Blütenbesucher nicht unterscheiden können, klammern sich die Larven an den Erstbesten, der auf der Blüte landet. Larven die das falsche Insekt erwischt haben, werden schon bald eingehen. Doch Ölkäferlarven, die den richtigen „Blütenjet“ erwischt haben, gelangen in das Nest der Wildbiene, in welchem sie als Larven parasitisch leben - und sich von deren Eier und Pollenvorrat ernähren. Nach der Verpuppung, die außerhalb des Bienennestes in der Erde stattfindet, schlüpft ein neuer Ölkäfer im Frühjahr des Folgejahres.
Tipp: Begegnet man einem Ölkäfer beim Spaziergang, sollte man ihn nicht in die Hand nehmen. Zur Abwehr von Fressfeinden oder einer anderen Bedrohung setzt der Käfer die Substanz Cantharidin ein, welche zu Blasen auf der menschlichen Haut führt. Will man ihn davor retten, auf den Wegen überfahren oder zertreten zu werden, nimmt man ihn am besten auf ein Blatt oder einen Zweig und trägt ihn so in Sicherheit.
Foto: Umweltakademie
Folge 2: Die zwei Gesichter des Maiglöckchens
Der unverkennbare blumige Duft von Maiglöckchen kündigt die Frühlingsboten schon an, bevor man deren weiße Köpfchen überhaupt sieht. Ob sie nun in Gärten blühen oder bei einem Waldspaziergang entdeckt werden, die zarten, weißen Blüten sind von Mai bis Juni hübsch anzusehen. Die Bestäubung der Blüten erfolgt über Insekten, wobei Bienen besonders häufig an Maiglöckchen zu beobachten sind. Im Laufe des Sommers reifen rote Beeren heran. Das Spargelgewächs (Aspergaceae) wächst auf halbschattigen Plätzen, mit humosen Boden und – ebenfalls wie der beliebte Bärlauch – auf feuchten, schattigen Waldböden.
Die gerne für Brotaufstrich oder Pesto verwendeten Blätter des Bärlauchs sind den Blättern des giftigen Maiglöckchens und der giftigen Herbstzeitlose ähnlich. Dabei besteht nicht nur durch ähnliche Standortansprüche, sondern auch durch die ähnlich geformten, frischgrünen Blätter eine hohe Verwechslungsgefahr. Der Bärlauch besitzt einzelne Blattstängel mit einer matten Blattunterseite, die direkt aus dem Boden kommen. Wenn das Blatt zwischen den Fingern verrieben wird, ist der typische knoblauchartige Duft des Bärlauchs wahrnehmbar. Das Maiglöckchen hingegen bildet zwei stängelumfassende, eingerollte Hüllblätter mit einer glänzenden Unterseite. Wie beim Maiglöckchen wachsen die hellgrün-glänzenden Blätter der Herbstzeitlose ungestielt aus einer Rosette.
Tipp: Maiglöckchen sollten nicht für die Vase gesammelt werden. Die Giftstoffe des Maiglöckchens befinden sich in der gesamten Pflanze, schon bei geringem Hautkontakt kann es zu Irritationen kommen. Besser ist es, sie für die Natur stehen zu lassen und sich an ihrem Anblick zu erfreuen.
Foto: H. Wilhelmi / Umweltakademie
Folge 3: Maikäfer – legendärer Krabbler
Ein schokoladenbrauner Käfer ist an einem Maiabend gerade aus dem Erdboden der waldnahen Wiese geschlüpft. Mit Hilfe seiner Augen, die aus 6000 Einzelaugen bestehen, erkennt er die Umgebung nur silhouettenartig, aber er erspäht den großen Wald, der sich in der Dämmerung am Horizont abzeichnet. Dort angekommen frisst der Waldmai-käfer, der zur Familie der Blatthornkäfer zählt, bevorzugt Blätter von Eiche, Buche, Kastanie und Ahorn. Nach der Paarung findet die Käferdame mit Hilfe eines perfekten Flug-orientierungssystems zu ihrem Startplatz zurück, wo der Käfer seine Eier portionsweise ablegt. Nach etwa einem Monat schlüpfen aus den Eiern weißliche Larven. Diese Enger-linge graben sich in den Boden ein und ernähren sich von Pflanzenwurzeln. Nach drei, meistens vier Jahren entwickeln sie sich bis zum fertigen Tier.
Trotz dieser langen Entwicklungszeit gab es in der Vergangenheit immer wieder große Mengen von Maikäfern. Doch heute sind die Zeiten vorbei, in denen Wilhelm Buschs Max
Moritz die Tiere noch massenweise von den Bäumen schütteln konnten. Die einst starke Verfolgung durch Spritzmittel hat die Bestände stark dezimiert. Allerdings hat die starke Einschränkung der Bekämpfung die Vorkommen wieder wachsen lassen, so dass sie vor allem im Oberrheintal stellenweise wieder in großen Mengen zu beobachten sind. Die Käfer sind wichtig für den Naturhaushalt. So werden sie von Fledermaus, Eichelhäher, Steinkauz, Turmfalke, Spitzmaus oder Igel gefressen.
Tipp: Der Junikäfer ist teilweise zeitgleich wie der Maikäfer unterwegs. Die beiden Käfer sehen sich auf den ersten Blick sehr ähnlich. Sie gehören allerdings verschiedenen Gattungen innerhalb der Familie der Blatthornkäfer an. Unterscheiden lassen sie sich anhand der Größe und Färbung.
Wichtig! Es ist die Zeit des Aufwuchses. Bleiben Sie daher auf den Wegen. Die Natur benötigt Ruhe und Schutz. Verhalten Sie sich den Corona-Kontaktbeschränkungen entsprechend, so kann alleine, in angemessenem Abstand zu zweit oder im engen Familienkreis die Natur erlebt werden.
Foto: Umweltakademie